Geschichte des Kaspers

Geschichte des Kaspers in Deutschland

Archäologische Funde und ethologische Studien liefern uns Hinweise darauf, dass Puppen in verschiedenen Formen und Arten vermutlich ständige Begleiter des Menschen waren und auch weiterhin sein werden.
Eine Vorform der Spielpuppe ist der “Popanz”. Ein Fetisch in Menschenform. Er wurde in der Hauptsache zu religiösen und zeremoniellen Feierlichkeiten genutzt. In der frühen Vorgeschichte Europas wurden u. a. solche Fetischpuppen in Bäume gehängt, um böse Geister zu vertreiben. Dieser allgemein übliche Glaube an die magischen Kräfte von Puppen verlor sich jedoch bald in Europa und spiegelt sich in einigen Brauchtumsfesten immer noch wieder (z. B. im Tanz der Hexen und Pfeifer in der Schweiz, um den Winter auszutreiben).

Das Puppenspiel bekommt in Europa im Mittelalter eine besondere Bedeutung. Im “Hortus dellciarum” der Äbtissin Herrad von Landsperg von 1170 werden in einer Zeichnung Tischpuppen in Ritterrüstungen gezeigt die horizontal an Schnüren bewegt werden konnten. Der Minnesänger Hugo von Timbergen berichtet von Gauklern des 13. Jahrhunderts, die auf Märkten das Publikum mit Puppenspiel zum Lachen und Weinen brachten. Sagen und Legenden werden in dieser Zeit über das Spiel mit den Puppen an das Volk weitergegeben.

Die Festlegung auf bestimmte Spielfiguren mit fest zugeschriebenen Charakteren und menschlichen Unzulänglichkeiten, die in jedem Spielstück auftauchen, ist eine Erscheinungsform des 16. Jahrhunderts. Mitte des 16. Jahrhunderts entstand daraus u. a. die weltbekannte “Commedia dell’arte” in Italien. Wer kennt nicht den in Federn gekleideten “Arlecchino”, der trotz Armut immer lustig und vergnügt ist und eine schwarze Maske trägt, weil sein Vorfahre “Harlequin” aus den französischen Legenden um 1100 war. Auch “Pantelone”, der dumme, oft verliebte und verspottete schrullige Alte dürfte bekannt sein. Die “Commedia dell´arte” gibt bereits kurz nach ihrer Entstehung Gastspiele in Frankreich und England. Italiens “Punchinella” nistet sich daraufhin in England als “Punch” und in Frankreich als “Punchinello” ein.

Neben dieser Entwicklung bekam aber auch noch eine weitere Figur zunehmende Bedeutung. In der Zeit um 1500 wird in einigen Schriften (z.B. 1530 und 1541 von Martin Luther) auf den “Hans Wurst“, als einer Person hingewiesen, dem eben alles egal bzw. “Wurst” ist und der nur Unsinn im Kopf hat. Es handelt sich dabei um eine proletarische, tölpelhafte Figur mit Bauernschläue.

Seine Karriere ist insbesondere auf das sog. “fahrende Volk” zurückzuführen, die ihre Vorstellungen für die Allgemeinheit gaben. In Zeiten der Unterdrückung des Volkes durch die herrschende Klasse hatten diese gespielten Frechheiten eine gewisse Ventilfunktion. Der ”Hans Wurst“ wurde zur ldentifikationsfigur für eigene Gedanken, die nicht ausgesprochen werden konnten oder sollten. So wurde diese Figur eine Art “Stellvertreter” oder ein “Hilfs-Ich” für die “Volksmeinung”. Nach sehr kurzer Zeit war der “Hans Wurst” unter verschiedenen Namen in sehr vielen Ländern der Erde bereits anzutreffen.

In England heißt “Hans Wurst” “Jack Pudding” oder “Punch”, in Rußland “Petruschka”, in Usbekistan “Paivan Katschal”, in Rumänien “Vasilache”, in Brasilien “Joao Redondo”, in Spanien „Don Christobal” oder “Polichinela”, auf Java “Semar”, in Frankreich “Jean Potage”, in Indien “Vidushaka”, in Italien “Punchinella”, in der Schweiz “Hans Joggli”, in den Niederlanden “Jan Khassen”, in Tschechien “Kasparek”, u.s.w.

Das derb, zotige, freche und teilweise revolutionäre Auftreten des “Hans Wurst” führte im 18. und 19. Jahrhundert zu zahlreichen Aufführungsverboten bzw. zur Zensur von Spielstücken durch die Obrigkeit, weil diese vermutete das Volk könne durch den Konsum solcher Spielszenen aufgewiegelt werden.

Sicherlich war dieser Druck auf die Spieler ein Grund für eine Namens- und Charakteränderung. Der in Deutschland “umerzogene” “Hans Wurst” hieß nun, vermutlich in Anlehnung an seinen tschechischen Verwandten, “Kasper” mit dem Image eines temperamentvollen, schlauen, schlitzohrigen, witzigen und überaus dominanten Gewinners, der sich nicht mehr für dumm verkaufen läßt. Seine Probleme regelt er, insbesondere im Jahrmarktgeschäft, mit absoluter körperlicher Gewalt. Als Hilfsmittel dienen ihm Bratpfanne und Pritsche.
1921 bekommt der Kasper ein neues Aussehen. Nach Entwürfen von Max Jakob entsteht durch den Schnitzer Theo Eggnitz im Erzgebirge der erste „Hohnsteiner Kasper“. Dieses Aussehen von „Kasper“ und seinen „Hohnsteiner Verwandten“ ist bis in die heutige Zeit nahezu erhalten geblieben.

Mit der Geburt des “Hohnsteiner Kasper,” bekommt diese Figur aber auch eine zusätzliche Aufgabe. Er wird Erzieher. Die große Wirkung, die Puppenspiel auf den Menschen hat, wird für die Vermittlung von Lerninhalten ausgenutzt. So wird der Kasper die Leitfigur in vielen märchenhaften Puppenspielen in der Form des traditionellen Puppentheaters oder bei der Vermittlung von Verhaltensweisen im Straßenverkehr usw.. Die Popularität des “Kasper” wurde so groß, dass viele Menschen auch vom “Kaspertheater” sprechen, wenn sie das Puppenspiel im Allgemeinen meinen. Der “Kasper” hat jedoch seine dominante “Alleinherrschaft” auf den Bühnen an Figuren wie “Pinocchio”, “Samson”, den “Launebären” und andere Zeitgenossen z.B. Teletubbies abgeben müssen.
Er ist wieder einer von Vielen geworden.